Die Aktienrente nimmt langsam Gestalt an

Die Ampel schrieb sich unter anderem die Umgestaltung und den Umbau der dysfunktionalen Deutschen Rente mittels einer neuen Aktienrente auf die Fahnen. Wie man in neuesten Nachrichten mitbekommt, nimmt dieses Unterfangen langsam aber sicher an Fahrt auf .

Zwar ist bislang noch nicht wirklich etwas darüber bekannt, wie diese Aktienrente aussehen wird, fest stehen anscheinend aber zumindest schonmal einige Grundpfeiler:

  • Global anlegen / streuen in Aktien (100% Aktienquote oder auch Rentenpapiere?)
  • Verwaltet durch eine öffentlich-rechtliche Stelle. Die Tendenz geht hier aktuell in Richtung Bundesbank, da diese Institution in Deutschland großes Vertrauen genießt
  • Die Aktienrente soll vor dem Zugriff der Politik geschützt werden, also nichts mit zweckfremder Verwendung der Gelder
  • Die erste Rate von 10 Mrd. Euro und ein Gesetzesentwurf sind noch für 2022 angekündigt

Inhaltsverzeichnis

Kollaps der Deutschen Rente

Ich habe mich bereits in mehreren Artikeln eher zurückhaltend über das deutsche Rentensystem geäußert. Falls du die Diskussionen noch nicht mitbekommen haben solltest, nachfolgend nochmal der gesamte Sachverhalt zur aktuellen Diskussion:

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen langsam aber sicher in den Ruhestand (Babyboomer). Es werden in Deutschland zu wenige Kinder geboren, um die Rente über das bisher (seit Bismarcks Zeiten!) etablierte Umlageverfahren langfristig zu finanzieren.

Bisher brachte die Politik immer nur die immer gleichen Vorschläge: Die Rentenbeiträge erhöhen und / oder das Renteneintrittsalter nach hinten verschieben (Rente mit 70 oder sogar mit 77). Über diese Vorschläge wurde zu Zeiten der Großen Koalition ergiebig gestritten und gerungen. Passiert ist – nichts.

Die FDP und die Grünen setzten sich aber dann doch mit der Vorstellung durch, die Gesetzliche Rente zumindest zum Teil auf die Kapitaldeckung umzustellen und so zukunftssicher zu machen. Doch was bedeutet das genau?

Das bedeutet „Umlageverfahren“

Bisher ist die Deutsche Rente mehr oder weniger ein Nullsummenspiel. Das Geld wird von den Arbeitnehmern über die Rentenversicherungsbeiträge (zwangs-) eingetrieben. Die Deutsche Rentenversicherung nimmt dieses Geld und „legt es an die Rentner um“. Das uralte Prinzip linke Tasche, rechte Tasche. So wie es reinkommt, so geht es auch sofort wieder raus. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige. Die gilt wohl nur in Sachen Umwelt als erstrebenswert.

Nun funktioniert das logischerweise nur, solange der Inhalt der linken Tasche (Beitragszahler) auch ausreicht, um die rechte Tasche (Rentner) zu füllen. Dies ist bei immer mehr Rentnern, die immer länger leben und immer weniger Beitragszahlern irgendwann nicht mehr der Fall. Einfache Mathematik.

Hier kommen wir dann zu den „Bundeszuschüssen“, die dann der Deutschen Rente jährlich extra zufließen (müssen!).

Das sind vereinfacht gesprochen „Zusatzzahlungen zur Rente“, die aus den Bundesmitteln an die GRV (Gesetzliche Rentenversicherung) fließen, um das Kartenhaus vor dem Einsturz zu bewahren. Wer zahlt diesen „Bundeszuschuss“?

Natürlich jeder Steuerzahler! Auch der Selbstständige, der ansonsten nichts oder wenig von der Gesetzlichen Rente zu erwarten hat und sogar die Rentner selbst (!), weil sie ja ihre Rente ebenfalls versteuern müssen ab einer bestimmten Höhe.

Zuschüsse in Milliardenhöhe nötig

Im Jahr 2021 belief sich dieser Bundeszuschuss auf satte 51,39 Mrd. Euro (Allgemeiner Zuschuss des Bundes / Defizitausgleich) und 27,47 Mrd. Euro (zusätzlicher Bundeszuschuss), die an anderer Stelle natürlich fehlen. Ganze 78,86 Mrd. Euro wanderten somit 2021 zusätzlich in die Kassen der DRV (Quelle). Beide Zahlen steigen zudem von Jahr zu Jahr weiter. So lag im Jahr 2015 der Allgemeine Zuschuss noch bei 40,23 Mrd. Euro und der zusätzliche Bundeszuschuss bei 22,20 Mrd. Euro (zusammen: 62,43 Mrd. Euro).

Da sogar in den offiziellen Statistiken wortwörtlich von einem „Defizitausgleich“ die Rede ist, sollte jedem klar sein, dass bereits heute die guten Zeiten der Rente vorbei sein dürften.

Bei der Bemessung dieser Bundeszuschüsse wird auch kein Hehl daraus gemacht, dass auch „versicherungsfremde“ Leistungen durch die Deutsche Rentenversicherung geleistet werden. Sie wird daher durchaus politisch auch als ein Instrument der „Umverteilung“ begriffen.

„Während der allgemeine Bundeszuschuss wegen der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben durch die GRV einer allgemeinen Entlastungs- und Ausgleichs- sowie Sicherungsfunktion dient, erfolgt die Zahlung des zusätzlichen Zuschusses ausdrücklich zur Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen und Senkung von Lohnzusatzkosten.“

Wikipedia-Artikel DRV

Es scheint somit deutlich etwas im Argen zu liegen mit der Rente. Die guten alten Zeiten à la „die Rente ist sicher“ scheinen sich dem Ende zu nähern. Während die Politik des Stillstands in dieser Sache nur obige „Lösungen“ kannte, kam nun durch die FDP und die Grünen erstmals konkret der Vorschlag einer Aktienrente ins Gespräch. Zwar nicht zum ersten Mal, aber nun nimmt sie Gestalt an.

Hier besteht sogar bei diesen beiden politischen Erzfeinden ein Konsens, wobei es natürlich unterschiedliche Vorstellungen über die Ausgestaltung gibt. Einig ist man sich zumindest in der Sache. Nämlich, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann. Schon gar nicht für die jungen Generationen, wo dann ein Arbeitnehmer irgendwann 3 Rentner finanzieren müsste. Auch hier sollte die einfache Mathematik ausreichen, um zu sehen, dass dies nicht leistbar ist.

Die Aktienrente und ihr Verfahren der „Kapitaldeckung“ soll diese Probleme nun also perspektivisch wesentlich entschärfen.

Das bedeutet „Kapitaldeckung“

Beim sogenannten Kapitaldeckungsverfahren geht es nicht darum, die Lebensarbeitszeit stets zu verlängern, die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer laufend zu erhöhen oder die Bundeszuschüsse (Zahlungen der Steuerzahler) beständig weiter beziehen zu müssen.

Hier ist der Grundgedanke, dass es eine Art „Deutschland-Fonds“ gibt, der in globale Aktien breit streut. Die Wertgewinne der Aktien und ihre Ausschüttungen vergrößern dabei das Fundament beständig. Irgendwann übernimmt die Magie des Zinseszinseffektes und alle Probleme der Rente wären gelöst.

Zugegeben: So einfach wird es nicht. Bis sich das gesammelte Kapital erstmals spürbar „verzinst“, muss der Grundstock entsprechend lange am Markt sein. Auch dürfen die Entnahmen nicht zu groß sein.

Wenn man aber andere Staaten betrachtet, sollten sämtliche Zweifel, ob ein solches System überhaupt funktionieren kann, ausgeräumt sein. Beispiele sind die Rente in den Niederlanden oder der norwegische Staatsfonds, der die Renten der Norweger seit Jahrzehnten sichert und dabei eine stattliche Rendite von 4-6 Prozent p.a. erwirtschaftet.

Zwar hat man als Arbeitnehmer schon heute die Möglichkeit, über eine ETF-basierte Rürup-Rente („Basisrente“) sich seine eigene „Norwegen-Rente“ zu bauen, allerdings sind hier die Kosten je nach Vertrag teilweise viel zu hoch oder es kommt zu wenig rüber. Zudem bist du von der Solvenz und der Qualität deines Versicherers abhängig.

Wie wird die Aktienrente in Deutschland konkret aussehen?

Noch ist leider zu wenig bekannt darüber, wie die Aktienrente konkret ausgestaltet sein wird und was die Auswirkungen im Einzelfall sein werden. Eventuell erhalten wir im Herbst/Winter nähere Informationen vom Bundesfinanzminister Lindner.

  • Wird es sich tatsächlich um einen „Deutschlandfonds“ handeln, der von der Bundesbank verwaltet wird?
  • Kann man in ihn auch in der 2. (Betriebsrenten / Riester) und 3. Schicht (private Rentenversicherungen) freiwillig einzahlen?
  • Steht er auch Selbstständigen offen bzw. lohnt sich die Einzahlung auch für Selbstständige endlich?
  • Sollen Beamte ebenfalls in das System integriert werden?
  • Was passiert mit den bisherigen Rürups / Riesters und privaten Rentenversicherungen? Kann man hier eventuell sogar freiwillig einmalig „umsteigen“? Wenn ja, zu welchen Konditionen (Abfindungen an die Versicherer?)?
  • Wie wird die Versicherungswirtschaft insgesamt reagieren? Wird die Politik vor dieser traditionell in Deutschland (noch) starken Lobby abermals einknicken?
  • Wird das Umlageverfahren als zweites Standbein bestehen bleiben? Quasi als „Anleihen-Ersatz“ der Aktienrente? Wie wird sich die Balance Aktien / Umlage zukünftig entwickeln?

Fragen über Fragen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und zumindest vorsichtig optimistisch, dass am Ende vielleicht doch etwas Brauchbares dabei rumkommt.

Fazit: Meine Vorschläge zur Aktienrente

In meinen Augen sollte die neue „Aktienrente“ folgende Merkmale aufweisen:

  • Global gestreut (ggf. mit ETF)
  • günstige laufende Kosten (max. 0,5 % p.a.)
  • pfändungssicher / insolvenzgeschützt
  • Renteneintritt ab 62 (analog Rürup / private Rentenversicherungen) möglich
  • Steuerfrei in jeder Hinsicht in der Einzahlungsphase (steuerliche Absetzbarkeit)

Letztendlich würde sie dann tatsächlich so aussehen, wie meine ETF-Rürup, nur eben öffentlich-rechtlich verwaltet und ohne Versicherer-Risiko.

Dass die Politik dem Steuerzahler ein kosten- und steuerfreies „Depot für die Altersvorsorge“ zur Verfügung stellt wie die „401k-Depots“ in den USA, wage ich nicht mal zu träumen.

Das würde in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutlich tatsächlich nicht funktionieren. Selbst in den USA scheinen die Arbeitnehmer in großen Teilen nicht „reif“ oder genug finanziell gebildet zu sein für so viel Eigenverantwortung in der Altersvorsorge. Viele setzen in ihren Depots offenbar nur auf Aktien ihres Arbeitgebers. Geht dieser Pleite, ist die Altersvorsorge futsch.

Die Aktienrente in Deutschland über einen globalen Fonds scheint für mich daher ein tragbarer Kompromiss zu sein, der in der Tat viele oder die meisten Probleme der Gesetzlichen Rente perspektivisch lösen könnte.

Wie stehst du zu den Plänen einer Aktienrente?

5 Kommentare

  1. Grundsätzlich sollte Vertrauen da sein. Die Politik und Regierung kann auch nicht alles tun, weil sie sonst eine Revolution riskieren. Die Dinge stehen schon kritisch, sie werden weiterhin kritisch stehen. Es gibt nunmal ein Ungleichgewicht in der Bevölkerung.

    Manches wurde unterdrückt und geheim gehalten. Interessant ist, dass das britische Pfund schon seit über 300 Jahren stabil als Währung existiert. Vieles macht England zu etwas besonderem. Die Queen ging heim und auf YouTube schrieben mache, sie hätten sie gerne gekannt oder getroffen. Es gibt es selten, dass eine Figur auf der Weltenbühne, 70 Jahre Amtszeit erreichen konnte.

    Ich habe einiges gelesen, was es zu lesen gibt, über das was im Hintergrund ablief, an einigen Stellen. Jedenfalls ist meine Meinung, du brauchst einfach gute Kontakte und eine gute Vernetzung. Ansonsten wirst du ausgenutzt oder hast nicht das Wissen, um dir einen Vorsprung zu sichern. Es gibt Bosse mit sehr viel Geld, die einen Haufen Geld investieren. Wenn du das weißt, kannst du ebenfalls einsteigen. Manchmal gibt es Vorgaben, die dann umgesetzt, bestimmten Firmen einen starken Kursanstieg bieten.

    Ich denke mir so. Besser du hältst deinen Mund, weil viele hatten auch wenig Geld und das Geschrei war groß. Ich selbst sehe es so, dass Geld sollte anders verteilt werden. Viele hatten extrem unvorstellbar viele finanziellen Mittel. Da war schon fragwürdig, warum es Hilfsorganisationen gab wie UNICEF und diese sich in einigen Ländern engagierten, wo die Landesherren sehr stark vermögend waren.

    Viele hatten einfach den falschen Job. 15OM. $ Jahresgehalt plus Prämien, solche Jobs gab es. Aber nicht für jeden. Nur für ganz ganz wenige Menschen auf der Welt. Eine Handvoll. Manche arbeiteten ihr halbes Leben für um die 1 Mio. $ Lebensgehalt. Weißt du wie mir das vorkam…

    Manches hier war nicht okay gewesen. Und ich hatte zu sehen, wie ich hier gut meinen Weg fand, im Dschungel dieser ganzen Interessengruppen, mit ihren Agendas. Wer den Willen hat und bereit ist das nötige zu tun, wird seinen Weg im Guten finden, wenn er sich dafür entscheidet. Unabhängig von externen Faktoren. Daran glaube ich.

    Viele Grüße

  2. Da das deutsche Rentensystem auf eine Bankrott-Erklärung zusteuert, wird das Thema Aktienrente nun immer dringlicher. Man hätte das Thema Rente und den Einstieg bzw. Umstellung auf ein kapitalgedecktes System mit verpflichtenden Beiträgen aller Berufsgruppen schon vor Jahrzehnten angehen sollen.

    Was die Umsetzung in Deutschland angeht bin ich überzeugt, dass ähnlich wie bei Riester nur Pfusch dabei herauskommt. In einem Spektrum links-sozialistischer Politik, wo (siehe Kühnert) Aktienbesitz mit Lotteriespiel gleichgesetzt wird, kann so ein Projekt nur scheitern.

    Dazu kommt die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung. Der „Deutsche“ schreit nach Sicherheit. Aktien? – Hilfe, die können ja fallen!
    Finanzielle Bildung müsste in der Schule beginnen.

  3. Hi Finanzguerilla, super Artikel, sehr gut recherchiert. Ich fände es absolut SUPER wenn der Staat hierbei aktiv werden würde. Wenn Norwegen, mit viel weniger Einwohnern wie D einen Staatsfond mit einem AUM von fast 1 Bio Euro auf die Beine stellen kann, dann können wir das auch. Denke global gestreut, JA, aber ein gewisser fixer Teil sollte m.E. schon an dt. börsennotierte Firmen gehen. Weltweit machen dt. Aktien derzeit nur ca. 1,5% der Marktkapitalisierung aus, und dass obwohl D die 4. grösste Wirtschaftsregion ist (!).

  4. Die Grünen und sogar die SPD lehnen die Aktienrente nicht grundsätzlich ab. Der entscheidende strittige Punkt ist aber die Freiwilligkeit. Die FDP sieht eine verpflichtende Beitragszahlung vor, was zwingend zu Lasten der GRV gehen würde, sonst würden sich die Sozialabgaben noch weiter erhöhen. Eine freiwillige Einzahlung können oder wollen sich viele sozialversicherungspflichtige Angestellte nicht leisten. Gerade die Geringverdiener würden also nicht von der freiwilligen Aktienrente profitieren. Die Grünen schlagen daher einen „arbeitgeberfinanzierten Mindestbeitrag“ vor. Das bedeutet,der Arbeitgeber zahlt einen höheren Anteil am Rentenbeitrag als der Arbeitnehmer, was ein weiterer Anstieg der bereits hohen Lohnnebenkosten nach sich ziehen würde.

    (Die „Webseite der DRV“ mit dem „interessanten Passus ist aber die Seite des Gesundheitsministeriums. Die GKV hat zwar auch Finanzierungsprobleme, aber mit der Aktienrente hat das nichts zu tun.)

    1. Hallo Ulf,

      Danke für deinen Beitrag. In der Tat ist mir da ein kleiner Fehler unterlaufen und ich bin auf der Seite der leider ebenfalls dysfunktionalen GKV gelandet. Ich habe den Artikel um die aktuellen Zahlen der DRV korrigiert und auch den Link angepasst. Aber: Das Bild ist jetzt sogar noch düsterer! Hier wird noch deutlicher, dass sich dringend etwas ändern muss. Bundeszuschüsse von 78 Mrd. Euro sind kein Honigschlecken!

      Ich bin bei dir, dass eine solche Aktienrente über einen Arbeitgeberanteil finanziert werden kann. Dank Modellen der Zinseszinsberechnung sollte aber diese „Mehrbelastung“ nur in der Anfangszeit sich negativ auswirken. Mit der Zeit kehrt sich dies dann aber in eine sinkende Belastung um, sobald der Zinseszinseffekt seine volle Wirkung entfaltet.

      Ich wäre hier im Prinzip für das Schwedische Modell, also eine Kombination aus Umlage und Fonds (https://www.capital.de/geld-versicherungen/der-schwedische-pensionsfonds-ap7-ein-vorbild-fuer-deutschland-121842).
      Verpflichtend sollte die Aktienrente in meinen Augen aber schon sein, weil es sich ja um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt (Generationenvertrag), welches auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden sollte.

      LG

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