Covered-Call-ETFs: Garantierte Verluste?
Sehr häufig sind mir in letzter Zeit bei Recherchen und beim Konsum von Beiträgen auf Youtube sogenannte Covered-Call-ETFs über den Weg gelaufen. Zwar gibt es auch durchaus kritische Auseinandersetzungen mit dieser Art von ETFs, jedoch ist der überwiegender Tenor eher positiv. Sie bieten offenbar hohe Ausschüttungen bei mäßigem Risiko und sollen darüber hinaus auch noch in gewisser Weise „abgesichert“ sein. Grund genug, dass ich mir die ETFs mal anschaue.
Covered-Call-ETFs: Das Einkommens-Schema, das auch seine Schattenseiten hat
In Zeiten niedriger Zinsen, hoher Bewertungen bei Aktien und latenter Volatilität suchen viele Anleger nach Alternativen zum klassischen Aktien- oder Anleiheninvestment. Eine Strategie, die zunehmend Aufmerksamkeit erhält: die sogenannten Covered-Call-ETFs. Doch wie funktioniert dieses Vehikel wirklich? Und vor allem: Für wen eignet es sich – und wann eher nicht?
In diesem Artikel gehen wir Schritt für Schritt vor: Wir erklären das Grundprinzip, zeigen Chancen und Risiken auf, diskutieren Einsatzszenarien, und beleuchten, wie das Ganze im Kontext eines ausgewogenen Portfolios wirken kann.
1. Was steckt hinter dem Begriff „Covered Call“?
Kurz gesagt: Ein Covered-Call-ETF kombiniert zwei Komponenten:
- Eine Beteiligung an einem Aktienportfolio (oder Indizes – NASDAQ 100, MSCI World etc.) – also klassische Long-Aktienpositionen.
- Parallel dazu wird auf diese gehaltenen Aktien bzw. das Portfolio eine Option verkauft (eine Call-Option). Diese Option ist „gedeckt“ („covered“), weil das Portfolio bereits die zugrundeliegenden Aktien besitzt – im Gegensatz zu einer nackten Call-Schreibweise („naked call“), die deutlich riskanter wäre.
Wenn die Call-Option verkauft wird, erhält der Fonds eine Prämie vom Käufer der Option. Das gibt Cash-Flows und somit eine potenzielle Einnahmequelle – zusätzlich zu Dividenden und Kursentwicklung des Aktienportfolios.
Wenn der Kurs der Aktie unter dem Strike-Preis bleibt, verfällt die Option wertlos und das Fondsportfolio behält die Prämie – ein Gewinn. Wenn der Kurs über den Strike steigt, wird das Aktienpaket ggf. abgegeben zum Strike-Preis, und der Fonds profitiert nur noch bis zu diesem Preis – darüber hinaus nicht mehr.
Einfach gesagt: man gibt einen Teil des Gewinnpotenzials auf im Tausch gegen Prämien-Einnahmen und etwas stabileres Verhalten.
2. Warum gewinnen Covered-Call-ETFs an Bedeutung?
Mehrere Faktoren spielen hier mit:
- Die Zinslandschaft: Klassische Rentenprodukte oder Festgeld bringen kaum noch attraktive Erträge. In diesem Umfeld wird „alternative“ Einkommensproduktion im Aktienumfeld interessant. Laut einer Quelle werden Covered-Call-ETFs mittlerweile mit zweistelligen Ausschüttungserwartungen diskutiert (z. B. 7 %–13 % Rendite) – zumindest in den USA. Tatsächlich gibt es inzwischen auch in Europa solche ETFs mit Ausschüttungsrenditen zwischen 7-12 % p.a.
- Volatilität und Seitwärtsmärkte: Wenn die Märkte nicht kräftig steigen – etwa in Seitwärtsphasen oder moderaten Rücksetzern – kann das zusätzliche Prämien-Einkommen helfen, das Ergebnis zu stabilisieren.
- Der Wunsch nach „regelmäßigem Ertrag“: Viele Anleger wollen nicht nur auf Kursgewinne setzen, sondern Erträge „aus dem Bestand“ – also Ausschüttungen oder laufende Einnahmen. Covered-Call-ETFs bieten so eine Brücke zwischen Dividendenstrategie und Optionsstrategie.
Kurzum: Sie kombinieren Aktien-Exposition mit einer systematischen Einnahmequelle – was attraktiv klingt.
3. Wie funktionieren Covered-Call-ETFs konkret?
Schauen wir tiefer in die Mechanik:
- Der ETF hält ein Aktienportfolio, z. B. einen breiten Index oder eine Auswahl von Aktien.
- Parallel verkauft der Fondsmanager (oder ein Derivatunternehmen im Fonds) Call-Optionen auf diese Aktien oder den Index. Meist wird eine bestimmte Quote des Portfolios „gedeckt“ – nicht zwingend 100 %.
- Diese Optionen werden z. B. monatlich oder in kurzen Fristen begeben – häufig Out-of-the-Money (OTM), damit das Aufgeben des Gewinnpotenzials begrenzt bleibt, aber noch Aufwärtspotenzial besteht.
- Die Prämien, die durch den Verkauf der Optionen eingenommen werden, fließen an den ETF-Anteilsgläubiger als Ausschüttung – oder reduzieren zumindest die Volatilität des Fonds.
- Wenn der Markt moderat steigt oder stagnierend verläuft, hat der Fonds die Prämien + evtl. Aktienkursgewinn (bis zur Option) – eine nette Kombination. Wenn der Markt allerdings stark steigt, ist das Gewinnpotenzial gedeckelt. Wenn der Markt stark fällt, bleibt zwar der Prämienpuffer, aber der Fonds erleidet dennoch Kursverluste – meist nur etwas abgeschwächt.
Ein Beispiel: Der Fonds hält Aktien im Wert von 100.000 Euro. Er verkauft Call-Optionen mit Strike bei z. B. 110.000 Euro, Prämie z. B. 2 000 Euro im Monat. Bleibt der Kurs unter 110.000 Euro, läuft die Option wertlos aus, der Fonds behält die Prämie. Steigt der Kurs über 110.000 Euro, muss er ggf. zum Strike verkaufen – er profitiert höchstens bis 110.000 Euro + Prämie, nicht weiter.
Die Prämien mindern also den Rückgang etwas, limitieren aber den Aufschwung. Dies ist ein Kernsatz, den du dir ganz stark einprägen solltest.
4. Chancen dieser Strategie – warum man sie in Erwägung ziehen kann
Wenn wir ehrlich sind: Covered-Call-ETFs sind kein Allheilmittel. Aber sie haben durchaus sinnvolle Eigenschaften – insbesondere im Kontext bestimmter Zielsetzungen:
a) Regelmäßiges Einkommen
Die wiederkehrenden Prämien-Einnahmen sorgen für gleichmäßigere Ausschüttungen. In einer Welt, in der Dividenden kaum mehr ausreichen und Zinsen niedrig sind, kann das attraktiv sein.
b) Geringere Volatilität (zumindest tendenziell)
Einige Studien zeigen, dass Covered-Call-Strategien in Seitwärts- oder leicht fallenden Märkten die Schwankungen im Vergleich zu reinen Equity-Investments reduzieren können.
Das kann insbesondere für Anleger interessant sein, die sich dem Markt nicht voll aussetzen wollen und etwas „Stabilität“ wünschen.
c) Alternative Einkommensquelle im Aktienmarkt
Im Gegensatz zu reinen Dividendenstrategien erzielt man nicht nur Dividendeneinnahmen, sondern aktiv Prämieneinnahmen aus Optionen – eine Art „Options-Einkommen“ per Fonds.
Diese Struktur macht Covered-Call-ETFs zu einem Baustein, der sich anders verhält als klassische Aktien-ETFs oder Dividenden-ETFs – damit kann er helfen, das Portfolio zu diversifizieren.
5. Risiken und Schattenseiten – das große „Aber“
Würde es nur Vorteile geben, wären Covered-Call-ETFs ein Selbstläufer. Doch wie bei allem im Leben: Es gibt Haken.
a) Begrenztes Aufwärtspotenzial
Wenn der Markt stark steigt, partizipiert der Fonds nur begrenzt – denn durch die verkauften Call-Optionen gibt man das große Gewinn-Upside ab. Wer also auf starke Aktien-Rallye setzt, dürfte mit einem Covered-Call-ETF unterperformen gegenüber einem klassischen ETF. Gerade wenn du dir die Rally an den Aktienmärkten der letzten Jahre anschaust, wird klar, dass du hier mit einem Covered-Call-ETF nicht so stark abgeliefert hättest wie mit einem ETF auf den NASDAQ 100 oder MSCI World.
Dies ist ein entscheidender Punkt: Man tauscht einen Teil des Gewinnpotenzials gegen Prämien-Einnahmen – bewusst, aber mit Konsequenzen.
b) Keine vollständige Absicherung bei Kursverlusten
Der Prämienpuffer wirkt zwar stabilisierend, aber bei starken Abwärtsbewegungen schützt er nicht vollständig vor Verlusten. Ein starker Marktcrash trifft auch Covered-Call-ETFs. Laut einer Analyse „fallen sie fast genauso stark wie der Markt, profitieren aber deutlich weniger vom Aufschwung“.
Wer also denkt, er hätte mit Covered-Call-ETFs eine vollwertige Absicherung für den Aktienanteil, irrt. Hier bist du nach wie vor auf Short-Produkte wie CFDs oder Zertifikate angewiesen.
c) Komplexere Struktur und Steuer-/Kostenfallen
Gemanagte Optionen bringen höhere Kosten (TER) als simple passive ETFs. Zudem kann die steuerliche Behandlung der Prämien je nach Land komplex sein. In Deutschland sollte man insbesondere auf Ausweisung der Ausschüttungen, Art der Gewinne und steuerliche Konsequenzen achten.
Ein „einfaches“ ETF-Depot wird durch Covered-Call-Komponente etwas komplexer – was nicht jedem Anleger gefällt.
d) Marktphasenabhängigkeit
Wie schon angedeutet: Diese Strategie funktioniert tendenziell am besten in seitwärts oder leicht steigenden Märkten – nicht in klassischen Bullenmärkten oder in steilen Aufwärtsphasen. Umgekehrt ist in massiven Abwärtsphasen auch der Schutz begrenzt. Wenn ein Anleger jedoch dauerhaft auf starkes Wachstum setzt – etwa Technologie-Rallyes –, dann kann die Strategie suboptimal sein.
e) Performance-Drag über Zeit
Ein Reddit-Kommentar bringt es auf den Punkt:
„Typically a CC ETF outperforms in downturn and underperformed when the market rises. …“ reddit.com
Die Erkenntnis: Man opfert etwas langfristiges Wachstum für kurzfristige Erträge – das muss im Bewusstsein sein.
6. Für wen macht das Sinn? Für wen nicht?
Angesichts dieser Chancen und Risiken stellt sich die Frage: Wer sollte Covered-Call-ETFs in Erwägung ziehen – und wer besser nicht?
Sinnvoll, wenn …
- Du Erträge aus deinem Depot (z. B. zur Entnahme) generieren möchtest und nicht primär auf maximalen Kursgewinn setzt.
- Du eine seitwärts oder moderat steigende Markterwartung hast – das heißt: du gehst eher nicht von einer Rallye aus.
- Du bereits eine Basisportfolio hast und nun einen Baustein zur Diversifikation suchst – z. B. „Ertragskomponente“ neben Wachstumskomponente.
- Du bereit bist, etwas Komplexität zu akzeptieren – höhere Kosten, Steuerfragen, Options-Mechanik.
Weniger geeignet, wenn …
- Du auf aggressives Wachstum setzt und Teil eines reinen Aktienwachstumsportfolios sein willst.
- Du auf maximale Partizipation am Aufschwung nicht verzichten willst.
- Du eine große Crash-Absicherung erwartest – denn Covered-Call-ETFs sind keine Garantie gegen starke Verluste. Hier benötigst du andere Short-Absicherungen.
- Du ein sehr einfaches Depot wolltest, mit passiven Index-ETFs ohne komplexere Mechanik.
Kurz gesagt: Die Strategie ist kein Ersatz für eine klassische Wachstumsausrichtung – sie ist eher eine Ergänzung mit anderen Zielsetzungen.
7. Wie könnte die Einbindung in ein Gesamtportfolio aussehen?
Wenn du bereits ein ausgewogenes Depot verfolgst – wie beispielsweise mit Blick auf Qualitätsaktien, Wachstumswerte und Absicherungsbausteine – dann könnte ein Covered-Call-ETF einen sinnvollen Platz haben. Hier ein Beispiel für eine mögliche Einbindung:
Beispiel-Szenario (vernünftig)
Angenommen, du hast ein Gesamtportfolio mit 300.000 €, bestehend aus:
- 60 % Aktien (wachstumsorientiert)
- 20 % Qualität (z. B. defensivere Aktien)
- 20 % Absicherung/Alternativen (z. B. Anleihen, Gold, Cash)
In diesem Rahmen könnte ein Covered-Call-ETF z. B. als Teil der „Qualität“ oder „Ertragskomponente“ fungieren. Beispielsweise 5–10 % des Gesamtvolumens in einen Covered-Call-ETF investieren, um regelmäßige Ausschüttungen zu erzielen und das Risiko-/Renditeprofil etwas zu glätten.
Beispiel-Szenario (wahnsinnig)
Du investierst die vollen 300.000 € beispielsweise in einen NASDAQ 100-Covered-Call-ETF mit einer Ausschüttungsquote von aktuell 10-13 % p.a.. In diesem – rein hypothetischen und absolut wahnsinnigen – Szenario, würdest du auf diese Weise ein passives Einkommen von 2.500 Euro bis 3.250 Euro (brutto!) monatlich ausgezahlt bekommen (Covered-Call-ETFs schütten meist monatlich aus!).
Wenn andere Rechnungen in Bezug auf finanzielle Freiheit stets von einer erforderlichen Summe jenseits der 1 Mio. Euro investiertem Kapital ausgehen, hättest du diesen Effekt bereits bei einem Drittel der Summe.
Natürlich warne ich ausdrücklich davor, alle Eier in nur diesen einen Korb zu legen. Auch mit einem ETF kann ja schließlich so manches passieren.
8. Fazit
Zusammenfassend:
- Covered-Call-ETFs sind ein sinnvolles Werkzeug, wenn das Ziel ist: Erträge generieren, Portfolio stabilisieren, nicht primär maximaler Wachstum.
- Sie sind nicht ideal, wenn das Ziel ist: maximaler Aktienaufschwung, vollständige Wertsicherung oder einfache Struktur ohne zusätzliche Mechanik.
- Ihre Stärke liegt in Märkten mit seitwärts Tendenz oder moderatem Wachstum – ihre Schwäche in starken Rallyes oder massiven Abschwüngen.
- Die Einbindung in ein Gesamtportfolio sollte bewusst erfolgen: als Baustein, nicht als Hauptbestandteil.
- Erfolgreiches Investieren mit Covered-Call-ETFs setzt Kenntnis, Strategie und Bewusstsein für Trade-Offs voraus – nicht Blindkauf wegen hoher Renditeaussicht.
Zu beachten ist außerdem, dass die am deutschen Markt gelisteten Covered-Call-ETFs noch nicht lange am Markt sind und im Prinzip bislang nur „sonnige Zeiten“ erlebten. Fraglich ist, wie diese abschneiden, wenn die Kurse mal einbrechen und gleichzeitig auch die Prämien sinken.
Wie ist deine Haltung zu den Covered-Call-ETFs? Nutzt du diese in deinem Portfolio? Wie stark gewichtest du diese?